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Interview: „Wertschöpfung durch Wertschätzung“

Der Arbeitsmarkt in Deutschland befindet sich in einem spürbaren Wandel. Die „Generation Y“ legt bei der Berufswahl ihren Schwerpunkt kaum noch auf das Gehalt oder den Profit. Flexible Arbeitszeiten und besonders die Wertschätzung ihrer Arbeit stellen bei der Arbeitsplatzsuche wichtige Komponenten dar. Die Wiederentdeckung der Menschlichkeit im betrieblichen Alltag ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Zukunft, sagt Prof. Dr. Andreas Otterbach, Autor des UVK-Buches „Führend durch Wertschätzung“. Im Interview spricht er über diesen oft unterschätzten Erfolgsfaktor.

UVK: Herr Otterbach, warum gewinnt der Faktor Wertschätzung immer mehr Bedeutung?

Andreas Otterbach: Dies hat verschiedene Gründe. Nehmen Sie einmal die demografische Entwicklung. Sind in zehn bis fünfzehn Jahren die Baby-Boomer im Ruhestand, werden wir in Deutschland eine dramatische Umwälzung am Arbeitsmarkt haben. Der Anteil der Menschen an der Gesamtbevölkerung, die dann im erwerbsfähigen Alter sind, wird bis dahin beträchtlich gesunken sein. Ein hoher Arbeitskräftemangel wird in den meisten Branchen die Folge sein. Aber auch heute haben wir einen Fachkräftemangel an Ingenieuren oder Informatikern. Wer es sich heraussuchen kann, wo er arbeitet, wird eher dorthin gehen, wo er sich wohlfühlt und Wertschätzung erfährt. Diese Tendenz wird zusätzlich von einem generellen Wertewandel flankiert, der sich aktuell bei der Generation Y vollzieht.

UVK: Was für Vorteile können Unternehmen durch wertschätzende Führung gewinnen?

Andreas Otterbach: Wertschätzende Führung kann man tatsächlich als Produktionsfaktor sehen. Sie erzeugt Motivation, die wiederum zu einer besseren Leistung führt. Der Slogan „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ hat also durchaus seine Berechtigung. Allerdings bringt eine Unternehmenskultur der gegenseitigen Wertschätzung auch externe Effekte mit sich. Wer sich bei der Arbeit wohlfühlt und motiviert ist, wird dies auch weitererzählen und potenzielle Arbeitskräfte neugierig machen. Gerade in Zeiten schwindender Potenziale auf dem Arbeitsmarkt ist diese Form des Employer Branding ein nicht zu unterschätzender Faktor, um für geeigneten Nachwuchs zu sorgen.

UVK: Oftmals bewerten Führungskraft einerseits und der Mitarbeiter andererseits den Führungsstil unterschiedlich – manchmal gar kontrovers. Welche Möglichkeiten gibt es, den Grad der Wertschätzung einer Führungskraft möglichst objektiv zu messen?

Andreas Otterbach: Ein weiches Kriterium wie der Grad der gelebten und praktizierten Wertschätzung einer Führungskraft ist naturgemäß schwer objektiv wie Temperatur mit einem Thermometer zu messen. Die von den Mitarbeitern empfundene Wertschätzung ist zudem davon abhängig, inwieweit sie überhaupt benötigt oder gewünscht ist. Allerdings gibt es einige Kriterien, anhand derer Wertschätzung abgebildet werden kann. Befragt man Mitarbeiter über die Ausprägung solcher verschiedener Kriterien bei ihren Vorgesetzen, so lässt sich doch eine gewisse Tendenzaussage treffen. Von vielen Mitarbeitern wird beispielsweise ein höherer Entwicklungs- oder Entscheidungsspielraum bei ihren Aufgaben als sehr wertschätzend empfunden. Andere empfinden es als angenehm, wenn sie morgens von ihrem Vorgesetzten begrüßt werden oder regelmäßig die Möglichkeit besteht, sich mit ihm / ihr austauschen.

UVK: Sie haben während Ihrer Forschungstätigkeit zum Thema Wertschätzung sehr viele Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitern geführt. Gibt es auch Situationen, in denen Wertschätzung negativ wirken kann?

Andreas Otterbach: Das ist eine interessante Frage, denn sie beschäftigt sich auch damit, was die einzelne Führungskraft unter Wertschätzung versteht. Für den einen ist es Lob und Anerkennung, für den Anderen eine „fruchtbare“ Arbeitsumgebung mit viel Freiraum. Beim Thema Lob und Anerkennung als mögliche Ausprägung von Wertschätzung ist tatsächlich Vorsicht geboten. Wer mit der Gießkanne jeden Tag öffentlich einmal durchlobt oder „Mitarbeiter des Monats“ ausruft, kann sich schnell in die Nesseln setzen, weil sich der einzelne Mitarbeiter in seiner Individualität nicht wiederfindet. Unter Umständen führt dies sogar zu einem Leistungsfall.

UVK: In Ihrem neuen Buch „Führend durch Wertschätzung“ haben Sie insbesondere die Hidden Champions in den Fokus genommen. Lässt sich sagen, dass diese Unternehmen eine besondere Führungskultur leben?

Andreas Otterbach: Hidden Champions, also kleinere, nicht unbedingt sehr bekannte Weltmarktführer haben ihren Weg an die Umsatzspitze ihrer jeweiligen Branche ja schon gemacht. Teilweise sind sie schon seit Jahrzehnten Weltmarktführer wie die Firmen Kärcher, Trumpf oder Sennheiser, um ein paar bekanntere Namen zu nennen. Trotz ihrer unterschiedlichen Ausrichtung lassen sich einige gemeinsamen Merkmale in der Führungskultur identifizieren. Orientieren sich Mittelständler und selbst Kleinunternehmer an diesen Merkmalen, können sie ihre eigene Leistungsfähigkeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit steigern. Von diesen Merkmalen handelt unser aktuelles Buch „Führend durch Wertschätzung“.

UVK: Was hat es mit Ihrem ERFOLGS-Modell auf sich, das Sie im Buch ausführlich vorstellen?

Andreas Otterbach: ERFOLG sind die Anfangsbuchstaben von Merkmalen, mit denen ich wertschätzende Führung beschreibe. Werden sie gelebt und gehören sie zur inneren Haltung der Führungskräfte, so bleibt der wirtschaftliche Erfolg – wie am Beispiel der untersuchten Hidden Champions schön gezeigt werden konnte – auch nicht aus. Das „E“ steht übrigens für die Grundlage, um überhaupt Wertschätzung geben zu können. Dahinter verbirgt sich die Eigenwertschätzung.

Vielen Dank.

(Dieser Beitrag wurde bereits auf dem Blog von UVK Lucius veröffentlicht.)

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